Eine Kunst für sich

Ob man es verstehen will oder nicht, eines vorweg: Karikaturen sind ebenso Kunstwerke, wie ein realistisches Porträt einer Mona Lisa. Bei Beidem handelt es sich letztendlich um eine aufs Papier gebrachte Fiktion, ein Bild, welches stets nie ein Wahrheitsgehalt der Abbildung verspricht.

Da Karikaturen ein recht weit verbreitetes Phänomen unter den heutigen Zeitungen ist, könne man annehmen, dass deren Wurzeln nicht weit zurückgreifen. Dem ist aber nicht so. Schon im 13. Jahrhundert wurden auf ägyptischen Papyrusrollen und griechischen Vasen Karikaturen von damaligen zeitgenössischen Führungsrollen gefunden. Ab dem 17. Jahrhundert wurde die Karikatur schon als eine ernstanzunehmende Methode des Porträtierens angesehen. Das bestätigt die oben aufgeführte These: Künstlerische Bilder, die dem objektiven Geschmack des Realisten nicht treffen, können dennoch überzeugend sein. Das Ziel, die abgebildete Person auf den ersten Blick auszumachen, wird nahezu immer erreicht. Denken wir nur an Karikaturen von in der Öffentlichkeit stehenden Personen. Lange rätseln, wer dieses Bild zeigt, muss man nicht. Warum ist das so?

Langes Kinn und übergroße Nase: Eine typische Karikatur (Bild: monocat / Flickr)

Wir und unsere Merkmale

Fragt man eine Person, warum derjenige ganz genau wisse, dass es sich um XY auf der vorliegenden Karikatur handelt, antwortet diese beispielsweise: "Na, weil XY doch große Ohren hat." Ohne jetzt konkrete Beispiele zu nennen, auf wen dieses Beispiel zutreffen könnte, wissen wir, dass jeder Mensch gewisse Merkmale hat, die ihn von anderen Menschen unterscheidet. Was uns jedoch auffällt ist das, was wir sehen, in größter Linie von den organisatorischen Eigenschaften des Gehirnfeldes abhängig. Dies ist jedoch so programmiert, dass wir zunächst das Außergewöhnliche, die Unähnlichkeiten zu anderen Personen, feststellen. Dieses Extreme bleibt im Geist haften und speichert die Person, wenn wir uns desselben Beispiels bedienen, unter "Große Ohren" ab. Sofort wissen wir, wer damit gemeint ist. Nicht nur uns fällt diese Abweichung auf, sondern auch andere, sodass Karikaturisten, die dies für sich nutzen, eine gewisse Kommunikationssituation zwischen ihnen und Betrachter entstehen lässt. Diese ist erforderlich, wenn die Karikatur glücken soll. Eine porträtierte Person wird auf ein oder mehrerer Merkmale reduziert, vielleicht sogar auf eine Eigenschaft, die mit zusätzlichen Requisiten im Hintergrund des Bildes eine Eigenschaft stärker stützen soll. Gewisse charakterliche Züge einer Person werden auch als typisch auffallende Gesichtsausdrücke dargestellt. Schon längst ist bekannt, dass wir nicht nur ein Gesicht besitzen, sondern viele verschiedene. Daraus ergibt sich, dass der Terminus der Physiognomie bei Karikaturisten stets im Auge behalten werden sollte.

Oft sind Politiker "Opfer" von Karikaturisten. Hier trägt Putin Trump. Eine Karikatur mit message (Bild: DonkeyHotey / Flickr)

Ein Gesicht, oder doch mehrere?

Die Physiognomie, um die Begrifflichkeit zu klären, befasst sich mit dem äußeren Erscheinungsbild von Lebewesen mit Fokus auf die charakterlichen Gesichtszüge. Wie wir schon festgehalten haben, sind es die Abweichungen der Norm, an denen sich der Karikaturist bedient. Auch der Ausdruck von Gemütsbewegungen weicht von dem beständigen Gesichtszug ab. Wir haben alle unser neutrales Gesicht, dennoch setzen wir in gewissen Situationen ein anderes Gesicht auf: Wir sehen erschrocken aus, wenn uns jemand erschreckt, wir haben die Angewohnheit die Brauen zusammenzukneifen, wenn uns etwas nicht passt. Diese und viele weitere veränderliche Ausdrücke prägen unser Gesicht.

Es ist nicht schwer, Gesichtsausdrücke und deren Bedeutung künstlerisch umzusetzen. Schon die Strichmännchenkunst mit einer Verschiebung im Augenabstand oder der Abstand zwischen Mund und Nase kann den Ausdruck radikal beeinflussen. Wir sind fähig, Emotionen auf einfachster Stufe abzulesen. Wenn ihr Kind eine lächelnde Sonne malt ist die Nachricht klar. Es ist ein positives Bild. Ein Gesicht mit heruntergezogenen Mundwinkeln hingegen ist das komplette Gegenteil. Trotzdem besteht, weil es sich um eine Fiktion handelt, immer die Schwierigkeit, ein Porträt so zu sehen, wie es gesehen werden sollte. Das ist vom Mensch und seinem Erfahrungsrepertoire abhängig.

Und wozu das Ganze?

Damit stellt sich die Frage nach der Intention von Karikaturen. Es geht nicht bloß darum, einen Unterhaltungseffekt in Form von Comedy zu erzielen. Vielmehr sollen Karikaturen zum Denken anregen; die menschliche Schwäche wird offenbart, sowie auch die gesellschaftlichen Zustände, in denen wir uns befinden. Die Karikatur kann ein dargestelltes Ereignis in Form einer bildlichen Nachricht bzw. Kritik etwas abmildern, ist aber nie unparteiisch. Der Sachverhalt eines Themas soll dem Betrachter vereinfacht dargelegt werden. Ob das glückt, hängt wieder vom Wahrnehmungsverhalten der Personen gegenüber seinem Wissen der Welt und wie er auf diese Welt reagiert ab. Ein mancher findet Karikaturen witzig, ein anderer sieht sich und in seinen Ansichten angegriffen. Wie die Reaktion gegenüber Karikaturen auch ausfällt: Ein Gesprächsthema ist es zweifelsfrei.

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